Kreiszeitung Böblinger Bote

Rundum gelungenes Comedy-Festival in der ausverkauften Böblinger Kongresshalle – Berliner Duo Ass-Dur siegt souverän

Beste Unterhaltung für Kopf- und Bauchmenschen war geboten am Samstagabend beim Comedy-Festival im vollbesetzten Europasaal der Böblinger Kongresshalle. Das Programm war trotz seiner Länge sehr kurzweilig. Und mit dem Berliner Musik-Duo Ass-Dur gab es einen verdienten Gewinner.

Von Eddie Langner

BÖBLINGEN. Vor zwölf Jahren haben die „Kultourmacher vom Alten Amtsgericht“ (damals noch unter dem Dach der AG Song) erstmals die Böblinger Mechthild verliehen. Das Comedy-Festival war damals als Programmpunkt ins Böblinger 750-Jahr-Jubiläum eingebettet. In den Jahren danach hat das Team der „Kultourmacher“ kontinuierlich am Konzept gefeilt, hat manches probiert, manches verworfen, Erfolge gefeiert, aber auch Fehler gemacht – und daraus gelernt.

Stimmiges Konzept: Wie man am Samstagabend sehen konnte, hat die Mechthild eine bemerkenswerte Entwicklung durchgemacht. Sie ist mit knapp vier Stunden zwar immer noch sehr lang, aber das im letzten Jahr eingeführte neue Konzept hat sich schon jetzt bewährt. Mittlerweile nominieren die „Kultourmacher“ nämlich selbst drei von vier Acts fürs Finale. Dadurch ergibt sich eine ausgewogene Mischung mit gestandenen und zum Teil mehrfach ausgezeichneten Künstlern. In diesem Fall: der Deutsch-Italiener Roberto Capitoni, der Politkabarettist Ren´e Sydow und das Musik-Duo Ass-Dur. Der vierte Finalist wird per Publikumsentscheid im Rahmen eines Newcomer-Wettbewerbs ermittelt. Diesmal war das der Stuttgarter Andreas Weber. Er löste am 5. Dezember im Alten Amtsgericht sein Finalticket.

Willkommensschilder für Sindelfinger: Bereits zum dritten Mal stand Thomas Schreckenberger als Moderator auf der Bühne. Der Mechthild-Gewinner von 2007 führte wieder einmal souverän durchs Programm. Zum Einstieg nahm er die traditionelle Rivalität zwischen Böblingern und Sindelfingern auf die Schippe: „Draußen vor der Kongresshalle ist vorhin ein Bus aus Sindelfingen angekommen. Und die Böblinger begrü.ten sie mit Schildern auf denen ,Welcome’ stand, reichten Leitungswasser und Obst – kein frisches Obst – aber es war Obst.“ So übertrug er das Flüchtlings-Szenario auf die Nachbarstädte.

Mundgeblasenes Schlagzeugsolo: Wie schon im Vorjahr gestaltete das Berliner A-Cappella-Sextett Onair den musikalische Rahmen der Veranstaltung. Für alle Nicht-Eingeweihten gab es zum Auftakt eine kleine überraschung: Hinter geschlossenem Vorhang stimmte Onair das wuchtige „Beautiful Day“ von U2 an. Wer nicht wusste, wo die Musik herkam, hätte eine ganze Rockband hinter dem Vorhang vermutet. Vor den Auftritten der einzelnen Künstler setzte die Vokaltruppe schöne Akzente. Kurz vor der Siegerehrung bekam das Ensemble dann einen größeren Auftritt, bei dem die Stimmbandakrobaten alle Register zogen – inklusive Schlagzeugsolo via Mund und Mikrofonverstärkung. Wer mehr Onair erleben will: Am 15. April singt die Band in der AEG-Aula – Karten gibt’s bei der KRZ.

Kopf denkt, Bauch lacht: Zum Auftakt brachte Roberto Capitoni das Publikum mit Multikulti-Comedy auf Betriebstemperatur. Er machte nette Gags über seine deutsch-italienische Herkunft. Erschwerend kommt hinzu, dass er auch noch zur Hälfte Schwabe ist. Da prallt die „Schaffe, schaffe, Häusle baue“-Mentalität auf italienisches „dolce far niente“. Leider wirkte der Auftritt insgesamt ziemlich gehetzt. Für einen ganz anderen Stil steht René Sydow. Bei dem Politkabarettist gab es zwar weniger zu lachen, dafür aber umso mehr zum Nachdenken. Wortgewandt, klug und geradezu zornig kam seine beißende Anklage gegen Gleichgültigkeit, Konsumgeilheit und multimediale Verdummung daher. „Kabarett ist Notwehr“, brachte er sein Konzept auf den Punkt. Bis hier hin – das spürte man – hatte Sydow die Nase vorn.

Musik schlägt Worte: Dann aber betraten Benedikt Zeitner und Dominik Wagner vom Duo Ass-Dur die Bühne. Beide haben in ihrer Jugend mehrfach bei „Jugend musiziert“ gewonnen. Kennengelernt haben sie sich an der Musikhochschule Hanns Eisler in Berlin. Beide sind Musikprofis. Was musikalisch und gesanglich in ihnen steckt, zeigten sie aber zunächst gar nicht. Stattdessen unterhielten sie den Saal als zänkisches und ungleiches Duo: Zeitner gab den dünkelhaften Opernsänger im Frack, Wagner saß miesepetrig im Jogginganzug und mit Kapuzenpulli am Klavier, fiel seinem Partner ständig ins Wort und haute dabei einen staubtrocken Kalauer nach dem anderen raus. Zum Beispiel diesen: „Ich hab’ ’nen IQ-Test machen lassen. Hatte Glück. War negativ“. Diese Schnoddrigkeit kam super an. Später strickte Wagner Fußball-Hymnen in klassische Kompositionen hinein oder brachte seinen Partner zur Weißglut, weil er dessen Gesangspart zu Schuberts „Leiermann“ mit dem „Eiermann“ von Klaus und Klaus unterlegte. Auch wenn Andreas Weber danach einen sehr sympathischen Auftritt als „Teilzeit-Alleinerziehender“ hinlegte, war die Sache bereits klar: An Ass-Dur kam hier niemand vorbei. Das Duo bedankte sich bei der Sieger-Zugabe mit einem Klavierduett, bei dem die zwei ohne auch nur eine Note zu verpassen, ihre Kleidung tauschten.

Rundum zufrieden: Nachdem der Schlussapplaus verklungen war, machten Erika Mehl, Gerhard Gamp, Maigg Wieczorek und die anderen „Kultourmacher“ sehr zufriedene Gesichter. Nicht nur hatten sie mit rund 1140 Zuschauern das bisher best besuchte und am schnellsten ausverkaufte Comedy-Festival. Auch das vergangene Veranstaltungsjahr im Alten Amtsgericht war laut Gamp mit 95 Prozent Auslastung das beste aller Zeiten. überhaupt ist die Mechthild mittlerweile auf einem Niveau angekommen, bei dem man sich das ganze auch sehr gut als Samstagabendsendung im Fernsehen vorstellen könnte. Mit knapp vier Stunden wäre die Show vielleicht ein bisschen lang – aber die Pausen könnte man ja rausschneiden. Und der Gottschalk hat doch auch immer überzogen, oder etwa nicht?

Sprüche der Künstler
„Sodele“ – So klingt laut Roberto Capitoni ein schwäbischer Orgasmus

„Wenn man hinterher der Dumme ist, war man es wahrscheinlich schon vorher“ – Bei René Sydow trifft Kabarett auf wortgewandte Philosophie
„Schon gehört? Der Papst hat der ganzen Welt seine E-Mail-Adresse verraten: urbi@orbi“ – Dominik Wagner vom Sieger-Duo Ass-Dur

„Stell dir vor, Hitler hätte Kräuter mit Nachnamen geheißen. Dann hätten damals alle ,Heil Kräuter’ gerufen“ – Nochmal Jogginganzugträger Dominik Wagner, der seinen blasierten Partner Benedikt Zeitner mit seinen schnoddrigen Sprüchen dauernd aus dem Konzept bringt

„Mit One-Night-Stands ist es wie mit dem Pfannkuchen machen: Der erste wird eh nie was“ – Andreas Weber erklärt, warum er kein Mann für eine Nacht ist

„Vor der Kongresshalle ist vorhin ein Bus aus Sindelfingen angekommen. Die Böblinger begrüßten sie mit Schildern auf denen ,Welcome’ stand“ – Moderator Thomas Schreckenberger erlaubt sich einen netten Gag über die Rivalität der Nachbarstädte

Präsentiert von: Restaurant Neuberths am See