Kreiszeitung Böblingen
Kindersport: Vierte Auflage von „Schwimmen, ich lern’s.“
Viel zu viele Kinder in Böblingen können nicht schwimmen. Die Initiative „Schwimmen, ich lern’s“ von Bürgerstiftung, Kreissparkasse und dem Kindersport der SV Böblingen will ein Zeichen gegen diesen Missstand setzen. Eine nachhaltige Verbesserung der Zustände kann sie aber alleine nicht leisten
Von Jeremias Renner
BÖBLINGEN. Dimitri hält sich den schmerzenden Kopf, als er aus dem Wasser klettert. „Ich hab’ mich angeschlagen, beim Tauchen“, erklärt er. Und fügt stolz hinzu: „Aber gestern, da bin ich mit ’nem Köpfer reingesprungen und habe den Tauchring vom Boden geholt, in fünf Sekunden!“ Es ist bereits der zweite Schwimmkurs für den Achtjährigen, „diesmal klappt es besser“, meint er, grinst bereits wieder und ist auch schon zurück im Wasser.
Es wird viel gelacht im Käthe-Kollwitz- Bad. „Der Spaß steht im Vordergrund“, erklärt Trainerin Christine Häberle. „Wir verpacken alles ganz spielerisch, so lernen die Kinder am leichtesten.“ Sieben Schwimmkurse haben Häberle und ihr Team zu bewältigen, dennoch leuchten die Augen der 32-Jährigen, als sie von „Schwimmen, ich lern’s“ erzählt.
Zum vierten Mal werden die kostenlosen Kurse in diesem Jahr bereits durchgeführt. Bisher waren die Tage jedes Mal ausgebucht, 48 Kinder haben sich in diesem Jahr angemeldet. Entstanden ist das Projekt 2011: Nach dem erschreckenden Ergebnis einer Umfrage an Böblinger Grundschulen, wonach 42 Prozent der Erst- und Zweitklässler nach eigenen Angaben nicht oder nur schlecht schwimmen konnten, initiierte die Bürgerstiftung „Schwimmen, ich lern’s“. Gemeinsam mit der Kreissparkasse finanziert sie die Kurse, die Schwimmabteilung des Kindersports führt sie durch.
Dass alle Kinder schwimmen lernen müssen, das steht für Christine Häberle außer Frage. „Es ist einfach lebensrettend. Wenn ein Kind im Freibad reingeschubst wird im Sommer, wenn’s da richtig voll ist, dann muss es sich doch selbst retten können.“ Das leuchtet eigentlich ein, aber wie erklärt man dann so desaströse Zahlen? Ist Schwimmen lernen einfach zu teuer? „Ich glaube nicht, es fehlt oft einfach nur das Bewusstsein dafür, viele Eltern denken nicht daran oder gehen davon aus, dass es in der Schule gelernt wird“, sagt Häberle nachdenklich. Von diesem Gedanken müsse man wegkommen.
In der Schule wird erst ab der dritten Klasse geschwommen.
In den Schulen wird Schwimmunterricht meist erst ab der dritten Klasse gegeben, Kinder, die dann noch nicht schwimmen können, haben es oft schwer. Kein Lehrer kann gleichzeitig die Fortgeschrittenen betreuen und den Nichtschwimmern Nachhilfe geben. „Viele haben sogar schon das Bronze- Abzeichen, andere können noch gar nicht schwimmen“, weiß Christine Häberle.
Diese Kluft zu überbrücken hat sich „Schwimmen, ich lern’s“ zur Aufgabe gemacht. Ob das gelingt, ist eine andere Frage. Die Umfrage von damals wurde bisher jedenfalls nicht wiederholt, „vielleicht machen wir das ja nächstes Jahr“, sagt Häberle. Spektakuläre Fortschritte erwartet sie jedoch nicht, spricht vom berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch: „Immerhin machen wir durch die Aktion auf die Missstände aufmerksam.“ Bei den Schulen liegt für Häberle der Hund begraben: Nichtschwimmer müssten hier Schwimmstunden bekommen, vielleicht dafür aus anderen Unterrichtsstunden rausgeholt werden, überlegt sie. Ob das realistisch ist? Man kann es sich kaum vorstellen.
Dass die Aktion trotzdem großartig ist, findet Aileen, die im zarten Alter von sieben Jahren bereits vier andere Schwimmkurse hinter sich gebracht hat. „Hier wird alles einfach intensiver gemacht, mehr auf Kraft geachtet“, erklärt ihre Mutter. Sie habe schon letztes Jahr von dem Projekt gehört und jetzt sei sie doch „sehr begeistert“. Die Trainerinnen hören das natürlich gerne, die Arbeit macht ihnen sichtlich Spaß. Ob sie das große Ganze verändern können, wissen sie noch nicht: Dafür sind jetzt andere zuständig. Der erste Schritt jedenfalls ist gemacht.