Kreiszeitung Böblinger Bote
Ingenieure bereichern den NwT-Unterricht an den vier Böblinger Gymnasien – Unterstützung von der Bürgerstiftung.
Die Übertragung von Praxiswissen aus dem Berufsleben in die Schule ist zunehmend ein Thema. Dazu passt das Gemeinschaftsprojekt „ING.trifft“ das in den vier Böblinger Gymnasien durchgeführt und von der Böblinger Bürgerstiftung unterstützt wird.
Von Dirk Hamann
BÖBLINGEN. Im Raum 007 des Albert-Einstein-Gymnasiums steht Dr. Michael Hager vor Schülern der Klassenstufe 10, deutet auf Powerpoint Präsentationen und erläutert anhand eines NASA-Experiments, wie Projektmanagement funktioniert. In seinem wahren Leben ist Hager kein Lehrer, sondern Ingenieur bei der Firma Bielomatic und stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins der Schule. Dem vor ihm sitzenden Nachwuchs möchte er an drei Vormittagen „eine sinnvolle Ergänzung des Lehrplans“ vermitteln, „Methoden und Werkzeuge aus der Industrie im Unterricht integrieren“.
Seit drei Jahren steht an Gymnasien landesweit das Fach Naturwissenschaft und Technik (NwT) auf dem Stundenplan, jeweils vier Stunden pro Woche betrachten dabei Schüler Themenstellungen, die sich an ihrer Erfahrungs- und Gedankenwelt orientieren. Dabei vertiefen sie die erlernten Kenntnisse aus den Fächern Biologie, Chemie, Physik und den Geowissenschaften, zudem bekommen sie naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen vermittelt. Besonderes Gewicht liegt auf experimentellem und projektorientiertem Arbeiten – ein Unterrichtsansatz, der in Böblingen die Idee befruchtete, Fachkräfte aus der Industrie dafür zu gewinnen, Schülern mit großer Praxisnähe den Lernstoff schmackhaft zu machen.
Das Netzwerk Lebensweltbezug, eine Initiative der Böblinger Gymnasien und lokaler Firmen für Schulen und engagierte Eltern im Landkreis, hat das Projekt „ING. trifft…“ gegründet, in dem Ingenieure in den NwT-Unterricht kommen, diesen mitgestalten, Einblicke in ihren Berufsalltag geben und den technischen Nachwuchs fördern. Die Böblinger Bürgerstiftung greift „ING. trifft…“ mit Anschaffungen für besondere Gerätschaften unter die Arme, die das experimentelle Arbeiten der Schüler unterstützen und nicht von der Schule finanzierbar wären – so zum Beispiel Brennstoffzellen- Modellautos, die einige NwT-Unterrichtsstunden an Böblinger Gymnasien bereichern.
Raum 214. Die Tische sind beiseite geschoben, auf dem Boden ziehen kleine Fahrzeuge surrend ihre Kreise. Schüler haben Brennstoffzellenautos zusammengebaut, sie mit Hilfe der Elektrolyse von Wasser zum Laufen gebracht. Das Thema Energie, das sie in den Fächern Chemie, Biologie und Chemie durchgenommen haben, bekommt somit einen praktischen Anstrich. „Und das macht allen Schülern Spaß“, gibt Lehrer Jürgen Hallanzy glaubhaft zu verstehen. Worte, die Herbert Kirchner, Vorstandsmitglied der Böblinger Bürgerstiftung gerne hört. „Das passt zu unserem Vorhaben, etwas für die Allgemeinheit zu tun“, sagt er zufrieden.
Praxisnahes Lernen
Eine Tür weiter, Raum 212: Vor einer weiteren Klasse baut Bernd Gärtner, als Ingenieur bei Philips-Medical in Böblingen tätig, Monitore und technische Gerätschaften auf, die ansonsten nur in Arztpraxen oder Krankenhäusern zu sehen sind. Er erklärt seinen beruflichen Werdegang, versucht dann den Schülern die gewaltigen technischen Entwicklungen im Bereich der medizinischen überwachungssysteme schmackhaft zu machen. Schließlich folgt ein praktischer Teil, bei dem seine Zuhörer die Tätigkeit ihrer Herzmuskel sichtbar machen können. Das Ergebnis: Schüler, die praxisnah Neues lernen und froh sind, dabei spannende, praktische Erfahrungen machen zu dürfen.
Ein weiterer Beleg dafür, dass sich das Modell „Ing. trifft…“ bestens im Unterricht einbauen lässt. Das sieht auch Peter Kusterer von der IBM so, der ein bekennender Fan dieses Netzwerks ist. „Viele Schulen, viele Firmen, viele Mitarbeiter – die Idee des Netzwerks geht weiter“, meint er. „Man kann dort etwas beitragen, ohne in ein festes Konzept gezwungen zu werden.“ Mit dem Blick auf die rund 10 000 Ingenieure, die im Großraum Böblingen wohnhaft sind, fügt er hinzu: „Es können sich noch mehr am Netzwerk beteiligen. Wenn es groß wird, kann man einiges abdecken.“