Kreiszeitung Böblinger Bote
5. Auflage der Böblinger Kinder-Uni – „Die Teilchenjäger am CERN.“
Von Ina Kraft
BÖBLINGEN. Atome, Neutronen, Protonen und Quarks – die Dinger, um die es am Mittwoch bei der Böblinger Kinderuni geht, sind so winzig klein, dass die meisten sich darunter wenig vorstellen können. Das schreckt die knapp 70 Kinder nicht, die sich den Vortrag von Dr. Michael Eppard anhören. Wie in den Vorjahren haben Stadt und Bürgerstiftung es möglich gemacht, dass renommierte Referenten wissenschaftliche Themen kindgerecht aufarbeiten.
Eppard war selbst einer derjenigen, die Thema seines Vortrags sind – ein „Teilchenjäger am CERN“. Zehn Jahre lang war der Physiker daran beteiligt, den größten Teilchenbeschleuniger der Welt auf dem Forschungsgelände der Europäischen Organisation für Kernforschung bei Genf (CERN) zu bauen. Keine Frage, dass mit dem Wissenschaftler ein absoluter Fachmann vor den Kindern steht. Die zeigen keine Berührungsängste mit der nicht einfachen Materie. Schon als Eppard die erste Frage stellt, schnellen viele Hände nach oben.
„Was seht ihr“, will der Referent wissen und deutet auf ein Foto auf der Leinwand. „Einen Rosenstrauch.“ Anhand dieses Rosenstrauchs veranschaulicht er, wie winzig die Teilchen sind, die er und seine Kollegen erforschen. Immer kleiner wird der Ausschnitt, den Eppard den Jungen und Mädchen zeigt. Bis zu einem Millimeter kommt das Auge mit, dann ist das, was zu sehen ist, nur durch spezielle Mikroskope sichtbar zu machen. Ein Atom weist eine Größe von 0,000 000 0001 Metern auf. „Und selbst das ist uns noch viel zu groß“, erläutert Eppard, präsentiert einen Atomkern, der aus Protonen und Neutronen besteht. „Jedes Proton und jedes Neutron besteht aus jeweils drei Quarks. Und aus denen besteht die Welt.“ Die Menschen, die Tiere, Wasser, Luft, Staub – alles. Diese Quarks sind unvorstellbar winzig: 0,000 000 000 000 001 Meter.
Weil Forscher wie Eppard wissen wollen, wie sich diese Winzlinge verhalten, haben sie den größten Teilchenbeschleuniger der Welt gebaut: eine 27 Kilometer lange, kreisrunde Röhre, die 100 Meter unter der Erde verläuft. Welche Dimensionen das Projekt hat, verdeutlichen Fotos. Da stehen kleine Menschen neben Maschinen, hieven große Kräne noch größere Geräte in riesige Hallen unter der Erde.
Durch die Röhre jagen die Wissenschaftler Protonen, bis diese fast Lichtgeschwindigkeit erreicht haben. Dann werden die Protonen zur Kollision gebracht. „Die zerfallen dabei in ihre Einzelteile“, sagt Eppard. „Und wir müssen schnell die Einzelteile suchen und versuchen zu rekonstruieren, wie sie sich verhalten.“ Damit das funktioniert, zeichnet ein Detektor – eine Art Riesenkamera – die Kollisionen auf. Daten, die gespeichert und ausgewertet werden.Jede Menge Theorie, doch die Kinder hören konzentriert zu. Immer mal wieder veranschaulicht der Referent, in was für Dimensionen sich das Ganze bewegt. Er zeigt das Foto eines Raumes, in dem nur Rechner stehen: Insgesamt 20 000 Stück, auf denen alle Daten gespeichert werden, die von den Detektoren des Teilchenbeschleunigers aufgezeichnet werden. Würde man all dieses Daten auf CD-Roms brennen, würden sich die benötigten Datenträger zu einem Stapel von 15 000 Kilometern auftürmen.
Damit die Wissenschaftler auf der ganzen Welt solche Daten austauschen können, hat ein Wissenschaftler am CERN vor 20 Jahren etwas erfunden, das heute jedes Kind kennt: das World Wide Web. „Das hat das CERN der Welt ganz umsonst zur Verfügung gestellt“, erklärt Eppard. Als er nach gut 40 Minuten seinen Vortrag beendet, stellt er fest, dass in seinem Publikum wahre Experten sitzen. Ein Junge hat von einer Explosion gehört, die es 2008 am CERN gab und will Genaues wissen. „Zehn Tage nachdem der Teilchenbeschleuniger in Betrieb genommen wurde, gab es eine Explosion, bei der rund ein Achtel des Tunnels explodiert ist“, erklärt Eppard. „Das Helium im Tunnel hat sich zu sehr erhitzt und ausgedehnt.“
„Was hat es mit Strings auf sich“, will ein anderer wissen. Eine Theorie, so Eppard, die nicht bewiesen sei und zudem den bisherigen Erkenntnissen der Teilchenphysik zuwider laufe. Passen muss der Wissenschaftler, als ein Mädchen wissen will, aus wie vielen Atomen ein Mensch besteht. „Weiß ich nicht, aber sicher so viele, dass man sie nicht mehr zählen kann.“ „Und wer bezahlt das alles?“ „Alle Länder, die beteiligt sind. In Deutschland zahlt jeder Steuerzahler pro Jahr zwei Euro für das CERN.“
„Das war alles sehr interessant“, bilanziert der zwölfjährige Nils nach der Kinder-Uni-Vorlesung. Nicht zu kompliziert? „Nö.“ Der ein Jahr jüngere Max pflichtet bei. „Ich hab ein Buch gelesen, wo mir nicht alles klar war. Jetzt hab ich es sehr gut verstanden.“